Finden Sie Ihr persönliches Lebenstempo

Das Tempo unseres Lebens scheint immer schneller zu werden. Wir leben im Zeitalter der Beschleunigung und fahren in einem Hochgeschwindigkeitszug durch unser Leben. Schneller Arbeiten, schneller konsumieren, schneller genießen. Kaum einmal kommen Körper und Psyche zur Ruhe. Deshalb streben die die meisten Menschen danach, das Tempo aus ihrem Leben raus zu nehmen.

Vor allem im Berufsleben spielt die Zeit eine immer größere Rolle. Unser Arbeitsleben wird anspruchsvoller, schneller und hektischer. Die Termine werden immer mehr, alles muss möglichst schnell geschehen. Wir müssen immer mehr in immer kürzerer Zeit erledigen. Trotz hohen Arbeitsaufwandes haben wir permanent das Gefühl, wenig – zu wenig – zu erreichen. Viele Menschen fühlen sich deshalb nur noch wie in einem Hamsterrad, dessen Tempo ständig erhöht wird. Diesen Wettlauf im Hamsterrad können wir nicht gewinnen, das ist noch aussichtsloser als die Jagd des Hundes auf die unerreichbare Wurst.

Tempo ist jene Zeit, die vor sich selbst davonläuft!

Wir haben Probleme mit unserem Lebenstempo, weil wir uns häufig fremdbestimmt fühlen. Die Rahmenbedingungen geben immer mehr das Tempo vor, die verschiedensten privaten und beruflichen Verpflichtungen wollen erledigt werden. Die Zeit rast und wir rasen mit.

Hinzu kommt noch, dass wir auch innerlich immer unruhiger werden, weil wir heutzutage durch unsere Mobiltelefone, Tablets und Laptops stets online sind, wir sind permanent erreichbar und immer im Kontakt. Viele können sich kaum noch daran erinnern, aber es gab eine Zeit ohne Mobiltelefone. Man rief an, sprach auf einen Anrufbeantworter und wartete auf einen Rückruf. Das würde heutzutage bei den meisten Menschen zu einem sofortigen Nervenzusammenbruch führen.

„Ich bin nicht zu langsam,
die Uhr ist zu schnell“
singt Heinz Rudolf Kunze

Das immer schneller werdende Tempo unserer Gesellschaft ist aber auch Ausdruck unseres ungeheuren Lebenshungers. Eile scheint geboten, damit wir in unserer relativ kurzen Lebensspanne möglichst viel erleben. Unsere Lebenszeit wollen wir möglichst optimal nutzen, wir wollen Spaß haben und das Leben in vollen Zügen genießen. Die Kürze des Lebens scheint es geradezu notwendig zu machen, dass wir das Tempo unseres Lebens immer mehr beschleunigen.

Wir versuchen in einem Leben ein doppeltes, dreifaches oder mehrfaches Pensum zu schaffen. Ständig leben wir in der Angst, dass wir das Beste, Schönste, Aufregendste versäumen könnten. Durch diese Angst, etwas Entscheidendes im Leben zu versäumen, haben wir einen „Wettlauf mit der Zeit“ begonnen. Die Beschleunigung unseres Lebens entspringt also zu einem großen Teil unserer unstillbaren Lebensgier.

Was packt man alles in sein Leben hinein? Wenn man viel erleben und erreichen will, wird das Lebenstempo automatisch schneller sein, als wenn man sich ein gemächlicheres erlaubt. Auch dies sind Fragen, die wir uns im Zusammenhang mit dem Thema „Das richtige Lebenstempo finden“ stellen sollten.

C. G. Jung erzählt in einem seiner Bücher von einer Unterhaltung mit einem amerikanischen Indianerhäuptling, der ihn darauf hinwies, dass in seiner Wahrnehmung die meisten Weißen angespannte Gesichter, starre Augen und ein grausames Benehmen haben. Er sagte: „Sie suchen ständig nach etwas. Wonach suchen sie? Die Weißen wollen immer etwas. Sie sind immer unruhig und rastlos. Wir verstehen nicht, was sie wollen. Wir glauben, dass sie verrückt sind.“

Berge sollte man mit möglichst wenig Anstrengung und ohne Ehrgeiz
ersteigen. Unsere eigene Natur sollte das Tempo bestimmen.
Robert M. Pirzig

Es ist nicht einfach, aber trotzdem sollten wir versuchen ein Lebenstempo zu finden, dass zu uns selbst passt. Ein Lebenstempo, das für alle stimmig ist, gibt es nicht, der eine braucht das Leben auf der Überholspur, er läuft erst bei hohem Tempo richtig warm, der andere kann seine Leistung nur bei geringem Tempo erbringen, er muss sich immer wieder zwischendurch etwas Ruhe gönnen. Der eine will ständig Gas geben, während der andere lieber einen Gang runterschalten möchte. Das richtige Lebenstempo ist also eine Typ-Frage – und jeder muss für sich das passende Tempo finden.

Vielleicht sind Sie schon einmal mit einer Gruppe wandern gewesen. Dann kennen Sie die folgende Erfahrung: Wenn Sie sich von den leistungsstarken Wanderern ziehen lassen, wenn Sie zu schnell gehen, verbrauchen Sie zu viel Energie, das Gehen wird zunehmend schwerer werden, Ihnen „geht die Puste aus“. Wenn Sie dagegen zu langsam gehen, sich an den schwächeren Wanderern orientieren, verschwenden Sie auch Energie und fühlen sich dann ebenfalls nicht wohl. Beim Wandern ist es wie im Leben: Es ist wichtig, dass wir unser eigenes Tempo gehen können – ein Tempo, das uns weder über- noch unterfordert. Erst wenn es uns gelingt, unser Leben in unserem eigenen Tempo und Rhythmus zu gehen, nur dann werden wir Druck und Stress aus unserem Leben nehmen.

Das eigene Lebenstempo ist immer eine höchst individuelle Sache. Jeder Mensch hat ein ihm innewohnendes eigenes Tempo, wenn er das leben kann, geht es ihm gut. Ob wir unser Lebenstempo einhalten können, bestimmt darüber, wie wir uns fühlen, wie viel Energie wir haben, wie sehr wir im Einklang mit uns selbst sind. Mit dem richtigen Lebenstempo werden wir uns zufriedener fühlen und unser Leben mehr genießen.

Sind Sie zufrieden mit Ihrem persönlichen Tempo? Ist die momentane Geschwindigkeit Ihres Lebens ein Kompromiss oder leben Sie in dem Tempo, das sich für Sie richtig anfühlt? Wir brauchen die richtige Mischung aus Anspannung und Entspannung, aus Ruhe und Aktion. Um ein zufriedenes Leben zu führen, müssen wir uns für das eine oder das andere Lebenstempo entscheiden!

Um das eigene Lebenstempo zu finden, müssen wir vor allem unsere Werte neu definieren. Wir müssen ehrlich klären, welche Dinge uns wirklich wichtig sind. Eine steile Karriere und total viel Zeit für die Familie funktioniert nicht. Sehr viel Geld verdienen und sehr viel Zeit mit den Kindern verbringen, wird ebenfalls nicht gehen.

Wir leben in einer sehr schnelllebigen Zeit,
in der das Leben des Menschen
immer mehr zu einer Gratwanderung wird.
Karl Talnop

Allerdings ist es gar nicht so einfach, in unserer sehr schnell getakteten Kultur ein persönlich passendes Tempo zu finden. Wir leben nicht wie Robinson alleine auf einer Insel und können uneingeschränkt über unser Lebenstempo bestimmen. Selbst Robinson hatte Freitag, mit dem er sich abstimmen musste, und so geht es uns auch. Unser Lebenstempo ist stets abhängig vom Tempo anderer Menschen in unserem beruflichen und privaten Umfeld. Partner, Kinder, Kunden, Kollegen und Vorgesetzte alle bestimmen mit über unser Lebenstempo.

Wir sind also alle mehr oder minder fremdbestimmt, andere Menschen und Umstände bestimmen das Tempo. Je mehr wir uns allerdings den Zeitgeist über uns bestimmen lassen, je mehr Tempo wir in unser Leben bringen, umso mehr haben wir das Gefühl immer weniger Zeit für uns selbst zu haben. Wir spüren immer mehr, dass unser materieller Wohlstand uns ein angenehmes Leben ermöglicht, dass er uns aber nicht glücklicher und zufriedener macht. Es belastet uns, wenn wir darüber nachdenken, wie knapp unsere Freizeit bemessen ist, wie wenig Zeit für Familie und Freundschaften bleibt, wie wenig wir uns noch um unsere Hobbys kümmern. Wir werden nicht zufriedener durch Beschleunigung. Alle wichtigen und schönen Dinge im Leben brauchen ihre Zeit.

Nachdem wir unser Leben bisher vor allem an äußeren Rhythmen ausgerichtet haben, müssen wir es jetzt wieder lernen, mit der Zeit „menschlicher“ umzugehen. Es reicht nicht mehr, sich nur nach der äußeren Zeit der Termine und Kalender zu richten, wir wollen innerlich ruhiger und gelassener werden. Wir streben danach, wieder bewusst auf unsere „innere Uhr“ und unseren „eigenen Rhythmus“ zu achten. Wenn wir unser Leben vor allem auf die äußere Welt mit ihren Terminen und Kalendern ausrichten, schneiden wir uns von einem großen Teil unserer kreativen Potentiale ab. Wir sind erst ausgeglichen, leben mit uns selbst in innerer Harmonie, wenn wir im Gleichklang mit unserem individuellen Tempo und Rhythmus sind.

In welchem Tempo wir leben, bestimmt darüber wie wir uns fühlen, wieviel Energie wir haben, wie sehr wir im Einklang mit uns sind und wie sinnerfüllt und spannend das Leben für uns ist. Mit dem richtigen Lebenstempo fühlen wir uns wohler und können unser Leben mehr genießen.

„Guten Tag“ sagte der kleine Prinz.
“Guten Tag“ sagte der Händler.
Er handelte mit höchst wirksamen, den Durst stillenden Pillen. Man schluckt jede Woche eine und spürt überhaupt kein Bedürfnis mehr zu trinken.
Warum verkaufst du das?“ fragte der kleine Prinz.
“Das ist eine große Zeitersparnis“ sagte der Händler. Die Sachverständigen haben Berechnungen angestellt. Man erspart dreiundfünfzig Minuten in der Woche!“
“Und was macht man mit diesen dreiundfünfzig Minuten?“
“Man macht damit, was man will …“
“Wenn ich dreiundfünfzig Minuten übrighätte“, sagte der kleine Prinz, „würde ich ganz gemächlich zu einem Brunnen laufen.“

Aus: Der kleine Prinz von Antoine de Saint- Exupèry

Es gibt wichtigeres im Leben,
als nur sein Tempo zu beschleunigen.
Mahatma Gandhi

Ein Leben auf der Überholspur, ein Leben in einem sehr hohen Tempo kann aufregend und motivierend sein. Bis wir an ein STOP-Schild kommen, das unser Körper aufstellt, der eben nicht dafür gemacht ist, auf unbestimmte Zeit maximales Tempo zu fahren. Beachten wir das STOP-Schild nicht, gibt unser Motor den Geist auf – und zwingt uns damit, eine kurze oder längere Verschnaufpause einzulegen.

Wenn wir ständig hochtourig unterwegs sind, treten Körper und/oder Psyche auf die Bremse. Stress, Erschöpfung, Burn-Out und psycho-somatische Erkrankungen sind die Konsequenzen. Wir werden krank, wenn unser eigenes Lebenstempo und das von unserer Umgebung geforderte Tempo nicht zusammenpassen. Also dann, wenn das eigene innere Tempo langsamer getaktet ist als die Kultur, in der wir leben und arbeiten.

Ein permanent hohes Lebenstempo, kann zu einem geschwächten Immunsystem führen, so dass wir anfälliger für Krankheiten werden. Psychisch zeigen sich häufig eine gesteigerte Empfindlichkeit und Reizbarkeit. Außerdem kann es zu Nervosität, Schlafstörungen bis hin zum chronischen Müdigkeitssyndrom kommen. Auch unser Gehirn leidet und ist nur noch eingeschränkt leistungsfähig.

Vor einiger Zeit erzählte mir eine junge Frau im Coaching welch aufregendes Leben sie in den letzten 10 Jahren geführt habe: Abitur – Studienabschluss – Berufseinstieg – Heirat – Geburt der Kinder. Noch während sie erzählte, gewann ich zunehmend den Eindruck, dass ihre seelische Entwicklung seit langer Zeit von dem extremen Tempo der zahlreichen Ereignisse überrollt worden war. Tatsächlich erzählte sie dann sehr schnell von ihren psychischen Problemen. Wenn unsere Seele dem Tempo unseresLebens nicht gewachsen ist, wenn sie mehr Zeit für ihre Entwicklung braucht, ist es höchste Zeit, das Lebenstempo zu drosseln, um innerlich auftanken zu können.

In meinen Seminaren lese ich gerne die kurze Geschichte von der „Weisheit des Indianers“ vor, um deutlich zu machen, dass wir uns in einem menschlichen Tempo durch das Leben bewegen sollten. Das wahre Tempo der Seele ist die Langsamkeit!

Im Norden der USA macht sich ein Indianer zu Fuß auf den Weg zu seinem Bruder, der 500 Meilen südlicher wohnt. Nach einiger Zeit des Fußmarsches hält ein Auto auf dem Highway. Der junge Fahrer lädt den Fußgänger ein mitzufahren. Auf der Fahrt erzählt er über die neuesten Errungenschaften der Automobilindustrie und zeigt stolz die vielfältige Ausstattung seines Autos: Drehzahlmesser, elektronische Öldruckmessung, Außentemperaturangabe, Dunkelheitssensoren, er rühmt die Drehfreudigkeit des 12-Zylinder-Motors, nicht ohne eine Kostprobe der Höchstgeschwindigkeit zu geben. Kurz darauf bittet sein Beifahrer aussteigen zu dürfen. Der Wagen wird angehalten, und der Indianer setzt sich an den Wegesrand und beginnt zu meditieren. Der junge Amerikaner ist darüber sehr erstaunt und fragt, weshalb der Indianer so viel Zeit vergeude, es wären noch 400 Meilen zu dessen Bruder zu fahren. Darauf antwortet der Indianer, er müsse hier an der Straße warten, bis seine Seele nachgekommen sei“.

Man verliert die meiste Zeit damit, dass man Zeit gewinnen will.
John Steinbeck

„Ich habe keine Zeit“ ist eine Redewendung, die wir im Laufe eines Tages sehr häufig hören. Wer heutzutage dazu gehören will, wer etwas auf sich hält, kann es sich nicht leisten, Zeit in Hülle und Fülle zu haben. Nur wer über seine Zeitprobleme klagt und stöhnt, erscheint für andere bedeutsam.

Deshalb entwickeln sich aber auch Gespräche zum Thema „Lebenstempo“ meistens sehr schnell in Richtung Zeitmanagement. Wer nicht in seiner vielen Arbeit untergehen will, muss lernen, sich selbst und seine Zeit besser zu organisieren. Wer sein Arbeitsleben nicht von Anderen und der Umwelt bestimmen lassen will, wer sich nicht nur reaktiv verhalten will, sollte bewährte Techniken des Zeitmanagements einsetzen, um effektiver und effizienter zu arbeiten. Ziele setzen, planen, durchführen und immer wieder bewerten, ob man sich auf dem richtigen Weg befindet, das ist die Voraussetzung dafür, Dringendes von Wichtigem zu unterscheiden.

Das eigene Zeitmanagement zu verbessern, ist immer richtig und wichtig, aber das eigene Lebenstempo zu finden, meint mehr als das eigene Zeitmanagement zu optimieren. Die Lösung kann nicht sein, noch mehr Aufgaben in die verfügbare Zeit zu packen. Zeitmanagement ist wichtig, aber kein Wundermittel! Unser Lebenstempo bestimmt unsere Lebensqualität und ist deshalb sehr viel mehr als bloßes Zeitmanagement. Unser Lebenstempo ist entscheidend dafür, wie wir uns fühlen, wie viel Energie wir haben, wie gesund wir sind, wie spannend und sinnerfüllt wir unser Leben finden.
Hören Sie deshalb einfach mal auf, über Ihre Zeitprobleme zu klagen, erzählen Sie anderen davon, dass Sie künftig ihr Lebenstempo verändern wollen. Sie werden mit Überraschung feststellen, dass es vielen anderen Menschen genauso geht.

Ich bin für Tempo 300!
Dann kommen wir schneller an.
Frage mich nicht wo.
Wolfgang Neuss

Wir haben ein sehr hohes Lebenstempo, weil wir immer mehrere Dinge auf einmal tun – Arbeit, Hausarbeit, Betreuung von Kindern/Enkelkindern, Betreuung der Eltern, diverse andere Aktivitäten. Aber die zur Verfügung stehende Zeit wird nicht mehr. Die vielen täglichen Verpflichtungen rufen in uns ständig das unangenehme und belastende Gefühl hervor, dass die Vielzahl der anstehenden Aufgaben uns völlig überfordert. Das Leben scheint rasend schnell abzulaufen, Ereignisse überschlagen sich und man kommt kaum zum Luftholen. Unser temporeiches Leben führt unweigerlich zu immer mehr Stress:

Ein Fischer sitzt am Strand und blickt auf das Meer, nachdem er die Ernte seiner mühseligen Ausfahrt auf den Markt gebracht hat. Warum er nicht einen Kredit aufnehme, fragt ihn ein Tourist. Dann könne er einen Motor kaufen und das Doppelte fangen. Das brächte Geld für einen Kutter und für einen zweiten Mann ein. Zweimal täglich auf Fang hieße das Vierfache verdienen. Warum er eigentlich herumtrödele. Auch ein dritter Kutter wäre zu beschaffen; das Meer könnte viel besser ausgenutzt werden, ein Stand auf dem Markt, Angestellte, ein Fischrestaurant, eine Konservenfabrik – dem Touristen leuchten die Augen. „Und dann?“ unterbricht ihn der Fischer. „Dann brauchen Sie gar nichts mehr zu tun. Dann können Sie den ganzen Tag sitzen und glücklich auf Ihr Meer hinausblicken!“ – „Aber das tue ich doch jetzt schon“, sagt der Fischer.

Wären wir ruhiger, langsamer, so ginge es uns besser,
ginge es schneller mit unseren Angelegenheiten voran.
Robert Walser

Es gibt nicht das einzig richtige Lebenstempo! Das Lebenstempo ist eine sehr subjektive Größe, jeder von uns empfindet die Geschwindigkeit des Lebens durchaus unterschiedlich. Manche Menschen sind ruhiger und lieben es beschaulich, andere sind naturgemäß von der schnellen Truppe und brauchen den positiven Stress. Jeder Mensch hat sein ganz persönliches Tempo, und in diesem, seinem eigenen Tempo erreicht er die besten Ergebnisse und fühlt sich am wohlsten.

Wann sind wir im für uns richtigen Lebenstempo unterwegs? Wenn wir überhaupt nicht über das Tempo nachdenken! Völlig unabhängig davon, ob wir mitten in einem anstrengenden beruflichen Projekt stecken oder privat vor einer großen Aufgabe stehen, wenn wir uns im für uns richtigen Lebenstempo bewegen, sind wir völlig in einer Aufgabe vertieft und fühlen uns zutiefst zufrieden. In diesen Situationen denken wir nicht darüber nach, ob wir nun zu schnell oder zu langsam unterwegs sind, wir arbeiten einfach hoch motiviert an unserer Aufgabe.

Wenn wir in unserem eigenen Tempo leben, tauchen wir in einen Zustand ein, den Mihaly Csikszentmihalyi als Flow bezeichnet: Wenn wir im Flow sind, empfinden wir das Arbeits- und Lebenstempo als genau richtig bzw. nehmen gar nicht mehr wahr, wie die Zeit vergeht. In diesem, unserem eigenen Tempo erzielen wir die besten Ergebnisse und fühlen uns am wohlsten.

„Flow“ heißt übersetzt „fließen, rinnen, strömen“. Es bezeichnet das Gefühl der völligen Vertiefung und des Aufgehens in einer Tätigkeit. Flow ist das als beglückend erlebte Gefühl totaler Fokussierung, des restlosen Aufgehens in einer Tätigkeit, das häufig mit dem Verlust des Zeitgefühls einhergeht. In diesen Augenblicken sind Denken, Fühlen, Wollen und Handeln in völliger Übereinstimmung. Wenn wir im Flow sind, geht es uns wie Kindern, die beim Spielen Zeit und Raum vergessen.

Im Flow arbeiten wir hoch konzentriert und voller Energie und Tatendrang an einer Aufgabe, die uns vollständig erfüllt. Dieser Zustand ist nicht abhängig von einer bestimmten Tätigkeit, er kann eintreten bei einer hoch komplexen Aufgabe, aber auch beim Kartoffeln schälen in der Küche. Im Flow sind wir hochkontriert und vergessen die Zeit und alles um uns herum, es ist ein Zustand in dem wir uns herausgefordert, aber nicht überfordert fühlen. Wir sind im Flow, wenn uns die Aufgabe Spaß macht, wenn wir die Tätigkeit als sinnvoll erleben, wenn wir uns als Teil eines „großen Ganzen“ fühlen.
Wenn wir im „Flow“ arbeiten, tauchen wir vollständig ein in das, was wir tun. In solchen Momenten kann uns der Stress nichts anhaben, wir können nicht „ausbrennen“, weil wir für eine Sache brennen. Der Stress wird positiv erlebt, er aktiviert unsere Ressourcen und bringt uns dazu, eine Leistung zu erbringen – einfach, weil wir es unbedingt wollen. Im Flow zu leben, macht glücklich.

Im Flow sind wir im richtigen Lebenstempo unterwegs!

Der moderne Mensch wird in
einem Tätigkeitstaumel gehalten,
damit er nicht zum Nachdenken,
über den Sinn des Lebens
und der Welt kommt.
Albert Schweitzer

Die meisten Menschen wollen ihr Lebenstempo gar nicht verändern, sie wollen nicht aus dem Kreislauf von „Arbeiten – Konsum – Spaß“ aussteigen, weil sie Angst davor haben, auf sich alleine zurückgeworfen zu werden. Sie haben Angst davor, sich die existentiellen Fragen des Lebens zu stellen: Wer bin ich und wer will ich eigentlich sein? Was ist mir wirklich wichtig im Leben? Welchen Sinn sehe ich in meinem Leben? Wenn wir uns und anderen immer nur erzählen, dass wir ganz viel zu tun haben, dass wir gar nicht mehr wissen, wie wir alle unsere Aufgaben erledigen sollen, drohen wir zu vergessen, was uns wirklich wichtig ist. Das extreme Lebenstempo ist also auch Ausdruck unserer Angst, dass wir auf die existentiellen Fragen des Lebens keine Antwort haben könnten. „Wir leben auf einer illusionären Oberfläche, unter der die Angst lauert, darunter könnte nichts Substanzielles sein. Es ist die Angst, sich selbst und seiner Endlichkeit ausgesetzt zu sein“, sagt der Soziologe Hartmut Rosa im WELT-Interview.

Entdecken Sie die Langsamkeit!

Da wir – bedingt durch das hohe Tempo – unser Leben immer weniger genießen können, streben wir danach, mit uns selbst und unserer Umwelt im Gleichgewicht und in Harmonie zu leben. Wir wollen wieder bewusster leben und uns nicht mehr von unserer Umwelt treiben lassen. Wir versuchen, einen Ausgleich zwischen Arbeit und Privatleben herzustellen (Work-Life-Balance).

Solange wir aber zwischen eigenen Wünschen und äußeren Anforderungen hin und her gerissen sind, solange wir von Termin zu Termin und von Aufgabe zu Aufgabe hasten, wird das Ungleichgewicht in unserem Leben bestehen bleiben. Deshalb ist es notwendig, eine bewusste Entscheidung zu treffen und das eigene Leben zu verlangsamen. Die Entdeckung der Langsamkeit, die Entschleunigung unseres Lebenstempos ist heute ein wichtiges Gegengewicht gegen die Hektik und Beschleunigung der Zeit. Manchmal ist langsam und gut durchaus die bessere Lösung!

Sten Nadolny schreibt in seinem Roman (Die Entdeckung der Langsamkeit. R. Piper Verlag, München, 1983) über seinen Helden: „Die Arbeit auf dem Schiff beobachtete John sehr genau. Er ließ sich beibringen, wie man Knoten machte. Er stellte einen Unterschied fest: Beim Üben schien es mehr darauf anzukommen, wie schnell man einen Knoten fertig hatte, bei der wirklichen Arbeit aber darauf, wie gut erhielt.“

Die Entdeckung der Langsamkeit kann der Schlüssel für ein zufriedeneres Leben sein. Denn nur wenn wir unser Tempo drosseln, übernehmen wir wieder das Steuer unseres Lebens und werden achtsamer für unsere eigenen Bedürfnisse.

Üben Sie die Langsamkeit – Ein Impuls von Pater Anselm Grün

Langsam gehen, bewusst jeden Schritt spüren, sich nicht antreiben lassen – durch nichts –, das lässt uns ganz im Augenblick sein, das führt zu intensivem Erleben und zu innerem Frieden. Langsamkeit hat eine eigene Schönheit. Versuche, beim Spazierengehen bewusst jeden Schritt zu spüren, wahrzunehmen, wie du die Erde berührst und sie wieder verlässt. Versuche, langsam und bewusst deine Tasse in die Hand zu nehmen. Zieh dich am Abend langsam aus. Du wirst sehen, wie dann alles zum Symbol wird, wie das Ablegen der Kleider zum Ablegen des Tages mit seiner Mühe werden kann. Versuche, dich morgens langsam zu waschen, das kalte Wasser zu genießen, das dich erfrischt. Und ziehe dich langsam an. Der Engel der Langsamkeit will dich zu einem bewussten und achtsamen Leben anleiten und dich in die Kunst einweisen, dein Leben als beständiges Fest zu feiern, denn auch deine Seele braucht Zeit.

COACHING-TIPP

Wie zufrieden sind Sie aktuell mit Ihrem generellen Lebenstempo? In welchem Tempo sind Sie gerade unterwegs, in Ihrem eigenen oder in einem fremdbestimmten? Passt Ihr momentanes Lebenstempo zu Ihnen? Oder sollten Sie einen Gang zurückschalten? Hat sich Ihr Leben zu einem Rennen entwickelt? Ist Ihr Lebensgefühl durch Hektik, Rastlosigkeit und Unruhe geprägt? Haben Sie das Gefühl aus ihrer Mitte gefallen zu sein?

Regler, um das eigene Lebenstempo zu regulieren.

Um sich über Ihr eigenes Tempo klarzuwerden, schauen Sie sich Ihr Lebenstempo mal detaillierter an. Gehen Sie dazu in folgenden Schritten vor:

1. Malen oder basteln Sie sich „Lebenstempo-Regler“, so ähnlich wie in der Abbildung. Über die Anzahl der Regler entscheiden Sie allein.

Lebenstempo regeln
Der obere Pol des „Lebenstempo-Regler“ steht für „viel zu schnell“, der untere Pol für „viel zu langsam“.

2. Suchen Sie sich die Lebensbereiche, bei denen Sie den Eindruck haben, hier stimmt das Tempo nicht (zu schnell oder zu langsam), also Bereich, in denen Sie gerne etwas ändern würden.

Lebensbereiche können beispielsweise sein: Aufgabe, Arbeit, Beziehung, Familie, Freunde, Freizeit, Hobbys, persönliche Entwicklung etc.

3. Stellen Sie die Regler möglichst nach Ihrem Gefühl, ohne große Überlegungen ein. Wenn Sie lange nachdenken, verfälschen Sie das Ergebnis.
Schauen Sie sich jetzt das Ergebnis möglichst neutral an. Das Ergebnis ist weder gut noch schlecht, weder richtig noch falsch. Denken Sie bitte daran, dass es beim Lebenstempo kein falsch oder richtig gibt, sondern immer nur das für Sie angemessene Tempo. Das Bild der Regler spiegelt nur ihr momentanes Lebenstempo wider.

Denken Sie bitte nicht, Ihr Leben wäre in Balance, wenn der Regler etwa in der Mitte steht. Für Sie persönlich werden unterschiedliche Tempi in den verschiedenen Lebensbereichen sinnvoll sein.

4. Denken Sie über Ihr Lebenstempo nach und entscheiden Sie, an welchen Reglern Sie etwas verändern wollen. Stellen Sie diese Regler für sich so ein, dass die Geschwindigkeit für Sie passt.

5. Jetzt sollten Sie für jeden Bereich, in dem Sie etwas ändern wollen, möglichst konkrete Maßnahmen festlegen, wie Sie ein schnelleres oder langsameres Tempo erreichen wollen.

Erwarten Sie vor allem keine schnellen Erfolge, wenn Sie Ihr Lebenstempo verändern wollen, denn Sie brauchen einen langen Atem. Ihr Zeit- und Tempoverhalten hat sich über viele Jahre entwickelt, das können Sie nicht über Nacht verändern. Geben Sie vor allem nicht auf, wenn die Dinge sich nicht gleich positiv entwickeln. Es gibt keinen Weg ohne Hindernisse. Beachten Sie vor allem diese Weisheit von Johann Wolfgang von Goethe: „Die Schwierigkeiten wachsen, je näher man dem Ziel kommt“. Das genau ist der Grund, warum so viele Menschen kurz vor der Erreichung ihrer Ziele aufgeben!